Hundeleben im Menschenmonolog – Wenn zwei Welten aufeinandertreffen
- Sarina Kriechbaum
- 3. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Stell dir vor, dein Welpe oder Junghund könnte sprechen. Was würde er wohl über euren Alltag erzählen? Vermutlich etwas ganz anderes, als du es erzählen würdest – und genau das ist der Kern eines der häufigsten Missverständnisse zwischen Mensch und Hund.

Zwei Perspektiven – zwei Welten
Wenn wir an unser Leben mit Hund denken, dann meist aus unserer, der menschlichen Perspektive. Wir wünschen uns, dass unser junger Hund...
„Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ beherrscht,
ruhig ist, wenn es klingelt,
brav im Auto mitfährt,
sich nicht für den Mist am Wegesrand interessiert,
alleine bleiben kann, ohne zu jaulen oder etwas anzustellen.
nicht zu viel bellt
zurückkommt, wenn man ihn ruft
keine Leute anspringt
nicht an der Leine zieht
u.v.m.
Und ja, all das ist absolut nachvollziehbar – aus Menschensicht.
Doch was ist eigentlich aus Hundesicht wichtig? Was ist normal für einen jungen Hund? Was will ein Welpe, ein Junghund, wenn er einfach nur Hund sein darf?
Schnüffeln
Graben
Sich wälzen (auch in Dingen, die für uns… eher gewöhnungsbedürftig sind)
Kauen, beobachten, spielen, schlafen
Dinge mit dem Maul untersuchen und zerlegen
Unter Büsche kriechen oder in Löcher schauen
Umwelt erkunden
Soziale Kontakte pflegen
Dinge fressen, die er selbst findet (ja, auch das ist für Hunde normal)
Im Wasser oder Dreck herumgehen
Ein bisschen bellen und aufpassen
u.v.m.
Das ist Hundsein. Doch genau hier treffen zwei Welten aufeinander.

Ein ganz alltägliches Missverständnis
Eine Szene aus dem echten Leben: Eine Hundehalterin besucht mich mit ihrem sechs Monate alten Junghund. Während wir sprechen, erkundet der kleine Hund neugierig meine Wiese. Alles ist neu, spannend, aufregend. Die Halterin lacht, als er an einem Stock kaut – niedlich! Doch plötzlich entdeckt der Hund ein kleines Loch. Er schnuppert, schaut interessiert, beginnt vorsichtig zu graben.
Und da passiert’s: Die Stimmung der Halterin kippt schlagartig. „Hey! Nein!“ – der Hund erschrickt, hört auf, geht weg.Kurze Zeit später geht er wieder zum Loch – diesmal wird das „NEIN“ lauter, strenger. Der junge Hund senkt den Kopf, leckt sich über die Lippen, sucht Nähe zur Halterin, wird dafür gelobt.
Was ist hier passiert?
Aus Sicht der Halterin: "Mein Hund hat auf mein NEIN gehört. Gut so!"
Aus Sicht des Hundes: "Plötzlich wurde mein Mensch streng und unberechenbar – lieber beschwichtige ich mal schnell, um die Lage zu beruhigen."

Kommunikation, die verunsichert
Viele junge Hunde lernen auf diese Weise nicht, dass sie nicht graben sollen – sondern:
👉 Dass ihr Mensch unberechenbar ist.
👉 Dass die Stimmung plötzlich und jederzeit kippen kann.
👉 Dass sie lieber beschwichtigen sollten, um Konflikte zu vermeiden.
Und das kann langfristig zu Unsicherheit führen. Beschwichtigungsverhalten ist kein Zeichen von „Gehorsam“ oder „Nettigkeit“, sondern ein Signal, dass der Hund sich unwohl fühlt. Dass er die Lage beruhigen "muss" und Stress abbauen will. Und dieser Stress kann sich, wenn er immer wieder auftritt, verstärken – bis hin zu überdrehtem Verhalten, Frustration oder sogar Aggression.
Was können wir stattdessen tun?
Zuerst einmal: Wir Menschen machen das nicht mit Absicht. Wir reagieren einfach aus unserer Welt heraus. Doch wir haben eine Superkraft – und die heißt: Empathie.
Wir können uns in unseren Hund hineinversetzen. Wir können verstehen lernen, was normal ist für einen Hund, gerade für einen jungen Hund, der noch dabei ist, die Welt zu entdecken.
Und dann können wir umdenken. Nicht alles zulassen – aber fair und verständlich kommunizieren.

Aber was, wenn der Hund wirklich den Garten umgräbt?
Natürlich verstehe ich, dass du nicht willst, dass dein Hund den Garten umpflügt. Aber: Graben ist kein Fehlverhalten, sondern oft ein Ausdruck von Überforderung, Stress oder einfach Neugier. Vor allem junge Hunde graben meiner Erfahrung nach häufiger.
Was kannst du tun?
🔸 Wenn du ein Loch entdeckst – mach es in einem ruhigen Moment zu, ohne dass dein Hund zuschaut. Je mehr du dich damit beschäftigst, desto spannender wird es für ihn.
🔸 Wenn du ihn beim Graben beobachtest, rufe ihn ruhig zu dir und ihr geht gemeinsam ins Haus. Biete ihm dort eine Pause an: Ein paar Leckerchen, ein guter Kauknochen, vielleicht deine Nähe. Kein Schimpfen, kein „Du musst jetzt zur Ruhe kommen!“, sondern einfach: Ruhe schenken. Abwarten.
🔸 Frage dich: War der Tag vielleicht zu aufregend? Gab es zu viel Trubel im Garten? Besuch? Spiel? Kinder? Fremde Hunde? Vielleicht ist dein junger Hund gerade einfach nur… überfordert und beginnt zu buddeln als Zeichen von Stress.

Beziehung statt Befehl
Das Leben mit einem jungen Hund ist kein ständiges Korrigieren, sondern ein gemeinsames Kennenlernen. Wenn wir aufhören, ständig im „Menschenmonolog“ zu sprechen, und stattdessen lernen, die Perspektive unseres Hundes einzunehmen, entsteht Vertrauen. Und mit Vertrauen kommt Gelassenheit – auf beiden Seiten.
Also, nimm dir heute mal ein paar Minuten und beobachte deinen Hund einfach nur. Ohne Erwartung, ohne Kontrolle. Frag dich:
👉 Was macht er da gerade?
👉 Was könnte er fühlen?
👉 Was würde ich tun, wenn ich er wäre?
Denn das ist unsere Superpower: Mitgefühl.
Und mit dieser Kraft wird das Leben mit deinem Welpen oder Junghund nicht nur harmonischer – sondern einfach wunderschön.
Du möchtest mehr über das Verhalten von Welpen und Junghunden erfahren – oder dein Hund zeigt schon erste Stresssignale? Dann melde dich gern bei uns! In unserer Welpen- und Junghundeschule in Tobelbad bei Graz zeigen wir dir, wie du deinen Hund wirklich verstehst – und wie ihr gemeinsam entspannt durch den Alltag geht. 🐾
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